• Unverkrampft Künstler werden (Praxistips für Anfänger)

  • , 1 Unverkrampft Künstler werden (Praxistips für Anfänger)
    Immer, wenn ich bombastische Meinungen zu notwendigem Theoriewissen und Güte des Materials höre, tun mir die armen angehenden Künstler leid, die dem Gehör schenken und sich total verkrampfen und verausgaben, statt einfach anzufangen. Vor allem, weil ich mal selber zu denen gehörte.
    Macht Euch erstmal keine allzu großen Sorgen um die Materialgüte. Für den angehenden Ölmaler reichen ein paar Bleistifte des Härtegrades B4, ein Skizzenheft, ein billiger A3-Block. Denn erstmal muß man das Zeichnen trainiern. Weiterhin ein billiges Ölfarbensortiment aus dem Supermarkt. Ein billiges Borstenpinselsortiment. Ich habe da lieber Flachpinsel als runde. Weiterhin ein paar kleine Haarpinsel der Stärke 1 bis 3 für Feinheiten. Eine Flasche Terpentinersatz und schnelltrocknendes Malmittel. Später eventuell noch Zwischenfirnis. Abklebeband aus dem Baumarkt, ruhig schön breit, und eine entsprechend große Tafel aus Preßpappe, auf die man das Papier, auf dem man erst einmal übt, mit dem Klebeband aufzieht. Einige Ölfarben kauft man am besten zum Sortiment hinzu. Das enthaltene Grün hat meist schreiende Farben und ich habe es nie benutzt. Meine Empfehlung: Chromoxidgrün stumpf (Blattgrün) und Chromoxidgrün feurig (Flaschengrün). Oft ist nur ein ins grünliche tendierendes Gelb dabei. Also noch ein mittleres Kadmiumgelb kaufen. Unerläßliche Farben sind lichter Ocker, Preußisch- oder Pariserblau, Zinnober- oder Kadmiumrot, ein "Weinroter" Ton (z.B. Karminrot), Umbra gebrannt und Terra Siena. Orange ist zu empfehlen, wenn man Portraits malen will auch Neapelgelb dunkel. Weiß wird man sich bald nachkaufen müssen, am besten gleich eine Großtube. Da geht immer viel weg. Wenn diese Farben im Sortiment fehlen, kauft sie nach. Das erleichtert auch das Ausmischen der Töne sehr. Als Palette eignet sich eine Glasplatte, für Ölfarben eignet sich eine Palette aus Kunststoff gut. Flach, ohne vorgeformte Farbnäpfe. Sowas ist für Aquarellfarben. Ein breiter Spachtel zur Palettenreinigung sollte auch vorhanden sein. Und mindestens ein Lappen und Zeitungen zum Farbe und Pinsel abwischen oder ausstreichen. Ich habe gerne auch ein kleines Palettmesser in Reichweite, geformt wie eine winzige Spitzkelle für Maurer. Nicht zum Malen, sondern zum Abnehmen überschüssiger Farbe.
    Das aufgezogene Papier braucht nicht grundiert zu werden. Voraussetzend, das ihr einigermaßen brauchbar zeichnen könnt, empfehle ich Euch, einfache Motive zu wählen und locker loszumalen, am besten ohne Vorzeichnung. Als Format wählt für den Anfang höchstens A3, um die Raumaufteilung besser überschauen zu können.
    Gebt alle Farben, die Ihr verwenden wollt, auf die Oberseite der Palette, aber erstmal ganz wenig. Ölfarbe ist recht ergiebig. Der restliche Platz auf der Palette dient zum mischen.
    Die Farbe verdünnt Ihr erstmal nur mit Terpentinersatz, für die Grundierung mit mehr, später mit immer weniger davon. Legt Eure Zeichenplatte auf einen Tisch. Wenn man stark verdünnt auf Papier malt, kann einem die Farbe sonst herunterlaufen. Pinsel werden nicht wie beim Aquarell in der Verdünnung ausgewaschen, sondern allenfalls mit Lappen oder Zeitung abgewischt. Zwischendurch muß man sie vor allem am Anfang manchmal mit Kernseife und Wasser reinigen, aber wenn man etwas Praxis hat, kommt das immer seltener vor.
    Achtet noch nicht so sehr auf akkurate Konturen. Malen nach Zahlen ist für die, die Laien bleiben wollen. Man malt nicht von links oben nach rechts unten fertig, sondern trägt die Farben in ihrer Gesamtheit stimmig auf, zuerst etwas blasser als gewünscht, um Spielraum für Effekte wie Licht und Schatten zu lassen.
    Der Hintergrund sollte eine neutrale, unaufdringliche Farbe bekommen. So man das beachtet und auf dieser Basis alle im Bild verwendeten Farben im Hintergrund einbringt, wird er nie unstimmig wirken. Das ist kein Dogma, aber wenn ich z.B. zur Übung Stilleben malte, strich ich auf dem Hintergrund nur meine Pinsel aus, wobei ich lediglich beachtete, daß er nicht zu grell wird. Wenn ein Bild gut grundiert ist, kann es aus der Nähe ziemlich scheußlich aussehen, hat aber auf Distanz schon annähernd die Wirkung des Endresultates. Bei den folgenden Schichten setze ich meist Malmittel statt Terpentinersatz ein. Aber am Anfang ist das vielleicht nicht unbedingt anzuraten.
    Die Verwendung von schwarz direkt aus der Tube ist heikel. Echtes Schwarz ist lediglich die völlige Abwesenheit von Licht und man kann damit "Löcher" malen. Auch zum Abdunkeln von Farben ist es ungeeignet, da sie dadurch leicht ihre Brillianz verlieren. Am besten mischt man sich selbst ein "farbiges" Schwarz aus Kadmiumgelb, "Weinrot" und Preußisch Blau. Das kann man je nach Ausmischung in alle Farbrichtungen tendieren lassen. Solch selbst ermischtes Schwarz ist auch die Basis für jedes erdenkliche Grau, wenn man Weiß und gegebenenfalls etwas von der Farbe, zu der es tendieren soll, beimischt. Lichteffekte in Weiß werden ganz am Schluß aufgesetzt.
    Das soll für den Anfang eine oberflächliche und durchaus lückenhafte Einführung für Anfänger sein, keine Belehrung für Künstler. Anfragen zum Thema beantworte ich gern, so ich dazu in der Lage bin. Sicher gibt es viele abweichende Wege und Meinungen. Auch die Ziele sind ja durchaus nicht deckungsgleich. Ich möchte nur versuchen zu helfen. In keinem Buch fand ich je eine brauchbare Anleitung für Laien. Doerner und Wehlte setzen z.B. viel zu hoch an. Bei Interesse will ich die Sache gern fortsetzen, mich dabei aber von Anfragen leiten lassen. Anspruch auf Unfehlbarkeit und das Aufzeigen des einzig möglichen Weges erhebe ich keineswegs.
    Aber eins möchte ich noch betonen: Die Materialgüte ist das allerletzte Glied in der Kette. Mit billigster Ausrüstung kann der Begabte Großartiges vollbringen, aber kein Stümper kann durch die Materialgüte etwas erzwingen. Das ist pure Geldverschwendung. Mag sein, daß es Menschen gibt, denen sofort großartige Werke gelingen. Kennengelernt habe ich noch keinen. Da ist es besser, erstmal wenig Mittel beim üben in den Sand zu setzen. Und nicht entmutigen lassen. Meinen ersten Bilder habe ich auch einen angemessenen Platz in der Tonne verschafft. Aber noch nie etwas gemalt, was mich voll zufriedenstellte. Vielleicht verlöre es dann auch den Reiz.

    Viel Erfolg wünscht Euch jerryhill
  • , 2
    Sehr schön erklärt. Kann dem nur zustimmen. Ganz normales Material reicht völlig aus. Im laufe der Zeit wird sich der individuelle Arbeitsstil und damit auch das bevorzugte Material finden. Das Papier kann man später sogar mit Fassadenfarbe(für außen) aus dem Baumarkt grundieren und erhält billige und recht haltbare Malgründe.
    Allein vom Format her würde ich bei Öl zu mind. A3 raten, um der Verführung kleinlich-ängstlich zu arbeiten zu begegnen.
    lg tieck
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    Wichtig ist nur, auf Dummschwätzer nicht hereinzufallen.
    LG
    Hermann
  • Margit Gieszer
    HeJoHe49, deine Arbeiten sind Spitze.
    LG Margit
    Signatur
  • Margit Gieszer
    Wenn ich so angefangen hätte, dann hätte ich schon bald die Pinsel geschmissen, denn das Kostbarste im Leben ist die Zeit. So habe ich unter fachlicher Anleitung und bestem Material schnell und sicher Fortschritte gemacht und mir dabei sehr viel Frust erspart.
    Gerade die Ölmalerei erfordert unglaublich viel Fachwissen schon alleine was die Technik anbelangt. Bis jetzt habe ich erst ein einziges Ölbild in den Müll geschmissen. (Die anderen fanden es allerdings schön und gelungen).
    Ich habe mein allererstes Ölbild gleich mit Eitempera und Harzöllasuren gemalt. Es gefällt mir immer noch, nach vielen Jahren die dazwischen liegen.

    Aber sicher gibt es auch viele die auf die andere Art und Weise an die Malerei herangehen und für die das richtig ist. Die haben dann wahrscheinlich auch viel mehr Zeit für Experimente.

    Ich denke auch da ist der Zugang je nach Temperament verschieden. Was für den einen richtig ist muss für den anderen nicht zwangsweise auch passen.
    Signatur
  • Der Text von jerryhill kann erhellend sein für die Anfänger, die malerisch experimentieren möchten und dabei eher auf einen fließenden Gesamteindruck als auf akribische Pingelei wertlegen - je nach Mentalität. Auf jeden Fall ist es mal ein erfrischender Text über die Malpraxis.
  • , 1
    Die Akkuratesse kommt von selbst. In dem Maße wie man sie will, wenn die Begabung ausreicht. Aber man kann sich leicht auf einer Schiene einfahren. Mir geht es um einen Mittelweg zwischen Lebendigkeit und akribischen Arbeiten, den man beliebig in beide Richtungen verschieben kann, wie es einem angebracht erscheint. Kann nicht behaupten, das erreicht zu haben. Arbeite dran.
    Vor allem aber geht es mir um Aussage und neue Wege für die Kunst. Nicht Stile nachahmen, die längst vorhanden und im Zeitalter der Fotografie ziemlich deklassiert sind. Dazu muß man locker bleiben oder werden.
    Aber das kann jeder sehen, wie er will. Es steht ja auch jedem anderen frei, Anleitungen ins Netz zu stellen. Da könnne Interessenten dann die Anbieter an ihren ausgestellten Bilder messen und entscheiden, wessen Anleitung sie folgen wollen.
    Registriert habe ich mich hier im Netz, nachdem ich las, wie Anfängern spöttische oder bewußt falsche Ratschläge auf ihre Fragen geschrieben wurden.
    Bald werde ich seltener werden. Deshalb wollte ich vorher eine gewisse Standarthilfe hinterlassen.
    jerryhill
  • RoWo
    Immer diese Ideologen. Pragmatismus ist das Einzige, was zählt.
    Signatur
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