• Inspirationstechniken

  • Paco
    Inspirationstechniken
    Mich würde mal interessieren, woher ihr eure Inspiration nehmt. Gibt es dabei besondere Techniken, diese wie z.B. Max Ernst "herbeizuzwingen"?
    Ganz am Anfang dürfte das "Sehen-Lernen" stehen und in dem Zusammenhang das berühmte Leonardo-Zitat:

    «Sie [die Art des Schauens] besteht darin, daß du auf gewisse Wände hinsiehst, die mit allerlei feuchten Flecken behaftet sind, oder auf Gestein von verschiedenerlei Farbe. Hast du irgendeine Szene zu ersinnen, so kannst du da Dinge schauen, die göttlichen Landschaften gleichen, erfüllt von Gebirgen, Flüssen, Felsen, Wäldern, großen Ebenen, Tälern und Hügeln in reicher Mannigfaltigkeit. Auch kannst du Schlachten erblicken, seltsame Figuren in heftigen Bewegungen, Gesichtsmienen, Gewänder und unzählige Sachen, die du in vollkommene und gute Form bringen magst. Es geschieht bei derlei Mauern wie beim Klang der Glocken, in deren Schlägen du jeden Namen und jedes Wort hörst, die du dir einbildest.»

    Kennt Ihr weitere Techniken, vielleicht auch gute Literatur zum Thema? Wäre interessant, wenn wir hier ein paar gute Sachen sammeln könnten ...
  • , 2
    Endlich mal wieder ein interessantes Thema!

    Ich guck gern in die Luft - dort liegen die Ideen. Manche kommen auch im Schlaf...
  • widdewidde
    Wirklich ein interessantes Thema- ich plaudere gerne mal aus dem Nähkästchen und hoffe auch, dass sich hier was sammelt.
    Im Moment stellt sich mir die Frage nach Inspirationstechniken zum Glück nicht, weil ich mit den Collagen das für mich zur Zeit richtige Medium gefunden habe- erlaubt ein zügiges Arbeiten, ich kann von einer Idee zur nächsten springen und das nächste Bildchen ergibt sich meistens schon aus dem in Arbeit befindlichen Bild (flow).
    Ich kenne aber auch andere Zeiten, wo nichts geht- keine Ideen, keine Motivation, kein garnichts...Ich versuche mal ein paar (mehr oder weniger erfolgreiche) Strategien aus den letzten Jahren zusammen zu fassen- vielleicht hilft das dem Einen oder Anderen:
    1. Einfach anfangen und sich erlauben auch mal Schrott zu produzieren. Muss man ja niemandem zeigen und tut auch nicht weh, sondern kann im Gegenteil Ansatzpunkte liefern. (Gedanken, dass man damit vielleicht Material verschwendet, beiseite schieben)
    2. Das Medium wechseln. (von der Malerei zur Fotografie zur Zeichnung zum plastischen Gestalten.... wie auch immer) Man lässt neue Einflüsse zu und betrachtet die bisher entstanden Arbeiten vielleicht aus einem anderen Blickwinkel.
    3. Den üblichen Arbeitsort wechseln oder verändern. Egal ob Atelier oder Arbeitsraum in der Wohnung und auch nur der Küchentisch. Mal woanders arbeiten und die Perspektive wechseln (auf den Boden legen, 'kopfüber' zeichnen oder raus in die Natur mit Skizzenbuch und ohne social media-> Langeweile und Nichtstun zulassen und gucken, die Umgebung wahrnehmen)
    4. Ein neues übergeordnetes und möglichst offenes Thema suchen. Hat bei mir nur zeitweise funktioniert- bin so vor vielen Jahren in die Malerei eingestiegen und landete dann in einer Sackgasse, weil die Malerei für mich über dieses Thema hinaus nicht passte (zu langsames Arbeiten).
    5. Literatur und Musik kann auch Neues anschubsen...
    Das fällt mir so spontan ein.... der erste Punkt ist für mich der am besten funktionierende.
  • Vaga
    Ja - schönes Thema, Paco, und ...
    ... ich fühl' mich da auch gern angesprochen:

    Primär wichtig für mich ist es, Sinneseindrücke zu sammeln, Augen und Ohren offen zu halten, - mit Achtsamkeit durch die Welt, Natur (Flora, Fauna), in Außen- und Innenräumen, aber auch auf Umwegen spazierenzugehen, um zu entdecken, was da über den 'toten Winkel' hinaus im (scheinbar) Verborgenen liegt.
    Hinzu kommt, Linienzüge und Farbvarianten zu beachten im menschlichen Gegenüber, die sich bspw. nonverbal durch Mimik und Gestik bieten. Spontane Seh-Skizzen anzufertigen, um sie im 'Regal hinter der Stirn' aufzubewahren, 'Schnappschüsse' mit oder (auch mal) ohne Kamera hinzuzufügen.

    Dann ist z.B. - neben der Musik - auch Lesen (für mich) eine Inspirationsquelle - möglicherweise zum selber Schreiben, aber auch als Anregung, Motive und Thematiken mit Zeichenstift o. ä. auf ein 'leeres' Medium zu bringen.

    Museen, Galerien, (oder wie jetzt in Krisenzeiten) im Internet 'Kunsträume' zu besuchen, - auch dort aufzusaugen, was es Neues oder Altes gibt, kann inspirieren und gehört bzw. gehörte schon seit ewigen Zeiten zu meinem 'Alltag'. Gezielt suche ich oft nach Webseiten mit den Schwerpunkten zeitgenössischer Literatur/Lyrik/bildender Kunst und stoße da - über Stöckchen und Steinchen - manchmal auf (für mich sehr) interessante Fundgruben.

    Auch wenn ich selbst nicht sofort tätig werde nach solchen 'Sammelsurienbesuchen', weiß ich, dass ich aus diesem 'Archiv' Inspiration schöpfen kann, auch wenn es mir in späteren Momenten der kreativen Tätigkeit vielleicht gar nicht oder erst im Nachhinein bewusst wird. Außerdem inspiriert mich das ohnehin alles zu Gedanken, manchmal auch zum geschriebenen oder gesprochenen Wort mit einem Gegenüber, sei es real oder virtuell.

    Und zu dem Leonardo-Zitat kurz aus meinem persönlichen Erfahrungsbereich eine Anmerkung: Fußböden und Wände mit 'Flecken', Linien, Mustern in Räumen, in denen man eine gewisse Wartezeit überbrücken muss, liefern wirklich oft mannigfaltig 'Material', um das 'Sehen' zu schulen. Ein angenehmer Nebeneffekt dabei ist, dass Langeweile in solchen 'Zeitschlangen' erst gar nicht aufkommt.

    Grüßchen - Vaga.
  • Vaga
    @ Schöner Beitrag!
  • widdewidde
    @ Danke, gleichfalls! :-)
    Ich hatte noch überlegt, ob ich Musuems- oder Atelierbesuche und Gespräche mit Kollegen mit in meine Liste aufnehme, sehe das für mich aber ein bisschen zwiegespalten. Einerseits finde ich das schon inspirierend in dem Sinne, dass das ein Motivationsschub ist bzw. ich dadurch große Lust bekomme selbst produktiv zu werden. Anderseits hat es bei mir aber auch manchmal den 'Effekt', dass ich abgelenkt werde von meinem eigenen Kram bzw. dieser 'verwässert' wird. Dementsprechend setze ich diesen Punkt sehr behutsam und nur phasenweise ein.
    So unterschiedlich kann das sein... :-)
  • Paco
    Schon mal vielen Dank für die konstruktiven Rückmeldungen.
    Ich wollte eigentlich noch mehr in Richtung der konkreten Techniken (vielleicht hab ich mich auch schlecht ausgedrückt, aber sammeln können wir ja Alles - nicht nur das, was ich ursprünglich im Kopf hatte): Von mir ein Beispiel: Das blinde oder fast blinde Zeichnen, um das korrigierende Bewusstsein ein Stück weit auszuschalten (vom Effekt her zumindest ansatzweise wie Resultate unter Drogeneinfluss - s. die Morphium-Zeichnungen von E.L.Kirchner).
    Victor Hugo (ja, genau DER) z.B. zeichnete gerade gerne im Dämmerlicht:
    https://www.froelichundkaufmann.de/out/pictures/generated/product/1/540_540_100/victor-hugoder-schwarze-romantiker_1036009.jpg
    https://cdn.shopify.com/s/files/1/0508/1061/products/hugo_web_2.jpg?v=1534874428
    Ich denke, dass man die Technik des fast blinden Zeichnens manchmal auch bestimmten Zeichnungen ansehen kann, wie hier bei Obbi (zumindest an manchen Stellen des Blattes):
    Monika 28.02.2021
    Der Stift wird locker gehalten, nicht oder nur peripher aufs Papier geblickt und die Zeichnung gerät dadurch so locker und unkonventionell, wie sie bei vollem Bewusstsein wohl nur schwer werden könnte.
    Um noch mal bei diesem Künstler zu bleiben: Um auf so ein Bild (das Gesicht im Gesicht) zu kommen, muss der Wahrnehmungsapparat wohl auch schon komplett anders funktionieren (im besten Sinne des Wortes verschoben sein):

    Aber keine Angst: Das sind von mir auch die beiden einzigen Beispiele, die ich hier aus dem KN heranziehen möchte.
    Ein weiteres Beispiel wäre das Zeichnen mit der schwachen Hand (bei Rechtshändern also mit der linken) - ebenfalls eine Technik, um zu ungewohnten Ergebnissen zu gelangen.
    Und wie sieht es mit der Rezeption von Kunstwerken aus: Ist es förderlicher und inspirierender, sich Kunstwerke anzusehen, die der eigenen Ästhetik entsprechen oder eher solche, die ihr gerade entgegenstehen (vielleicht sogar als "potthässlich" empfunden werden)?
  • widdewidde
    Vor einer gefühlten Ewigkeit hatte ich mal ein Seminar bei Suse Wiegand. Dort machten wir zum Einstieg so Übungen wie von dir beschrieben, wie: Blindzeichnen, beidhändig zeichnen, die eine Hand fühlt blind den Gegenstand während die andere zeichnet usw. Es ging um gegenständliches Zeichnen in der Art, dass nicht das für das Auge OffenSichtliche sondern mehr das Wesen tliche der Dinge gezeichnet werden sollte.
    Wenn ich mich recht erinnere, orientierte sich das Seminar an folgendem Buch:
    https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/51Vdi+6qMaL._SY344_BO1,204,203,200_.jpg
    Vielleicht hilft dir das weiter...
  • xylo
    Ihr werdet lachen
    mir kommen oft die besten Ideen auf dem im Bad oder in einem Wohnzimmersessel, der frei im Raum steht.
    Warum? In meiner Wohnung liegt überall Naturmarmor. Unglaublich was man darin sehen kann. Wenn man den Blick erfrischt, sieht man ständig neue Motive.

    Signatur
  • Paco
    @
    In meiner Wohnung liegt überall Naturmarmor.

    Aber nicht, dass du direkt vom Marmor abpaust - ansonsten flattert dir eine Unterlassungserklärung wg. Urheberrechtsverletzung aus Carrara ins Haus ...
    @

    Vielleicht hilft dir das weiter...

    Danke für deine Tipps, aber es geht ja hier nicht um mich bzw. nicht nur (gut, in erster Linie schon ...). Es sollte ein Geben und Nehmen und Sammeln für die Allgemeinheit sein. Trotzdem ein interessanter Literatur-Tipp, auch für mich.

    Ansonsten habe ich den Eindruck, durch meinen zweiten Beitrag die Diskussion ein bisschen abgewürgt zu haben. Das war natürlich nicht meine Absicht. Es kann und soll natürlich Alles zum Themas Inspiration gepostet werden, nicht nur bestimmte Techniken. Also fühlt euch inspiriert, über Inspiration nachzudenken ...

    Zu widdewiddes Punkt 3. würde ich noch ergänzen wollen, dass das Format des Blattes auch schon einen großen Einfluss auf das Ergebnis hat und ab und an ein Formatwechsel den persönlichen Ausdruck und kreativen Ausstoß befruchten kann: Eine Zeichnung über ein ganzes DIN A4-Blatt wird (durch den größeren Schwung) völlig anders als eine solche auf DIN A5-Format oder noch kleiner oder gar eine Fresko-Zeichnung,

    @:
    "Fußböden und Wände mit 'Flecken', Linien, Mustern in Räumen, in denen man eine gewisse Wartezeit überbrücken muss, liefern wirklich oft mannigfaltig 'Material', um das 'Sehen' zu schulen."
    Das, was du schreibst, ist praktisch genau das, was Max Ernst (wohl auch von Leonardo beeinflusst) als seine Inspirationsquelle für seine Frottagen beschreibt - Bilder im Holzdielenboden, die er auf Papier "frottierte" (übrigens ist die rororo-Mongraphie über Max Ernst im Zusammenhang mit unserem Thema sehr aufschlussreich).
    Und erstaunlich fand ich ebendiese Passage bei Ernst insofern, als ich fast Dasselbe als Kind durchlebt hatte. In der Grundschule und den unteren Klassen des Gymnasiums war ich etwas kränklich und lag im Winter immer wieder mal mit Mandelentzündung im Wohnzimmer. Die Zimmerdecke dort war mit einer dunkelbraunen Holzvertäfelung ausgekleidet und beim Starren an die Decke sah ich immer ein kleines Lamm (das mir jetzt noch vor Augen steht) und diverse andere konkrete Bilder innerhalb der Maserung.

    Was ich persönlich auch anregend finde, ist es, Zeitschriften zu Themen zu kaufen, die mich eigentlich nur peripher (wenn überhaupt) interessieren: Mal eine Emma, mal eine Bravo, Groschenromane (Arzt-, Berg-, Agentenromane etc.), Szenemagazine u.v.m.
  • , 2

  • Paco
    @Gast, 2
    Es wurde von anregenden Strukturen in Holzdielen , Marmor und dergleichen geschrieben - Künstler wie zB Klaus Staeck schauen eher auf soziale Strukturen.

    Vielleicht kann man das ja sogar in einem Kontext sehen: Staeck hat ja gewissermaßen auch die soziale "Holzmaserung" abgerieben und sichtbar gemacht, welche von der Politik (tlw. wissentlich) ignoriert wurde und wird.
  • Paco
  • seline_sophie
    "Langeweile zulassen" las ich irgendwo am Anfang des threads. Eine sehr effektive Methode, die meiner Meinung nach auch die Schlaftechnik berührt. Und ersteres bedeutet, nicht nur die Zeit der Langeweile zuzulassen, sondern das darüber hinaus gehende. Nichts anderes ist ja Meditation. Versuchen , den Nullpunkt der Gedanken zu erreichen, also versuchen, an nichts zu denken. Dann kommen irgendwann neue Ideen, Ansichten und auch Absichten. Es ist -gelinde gesagt- keine schnelle Methode, aber langfristig sehr effektiv. Dabei ist es mir immer wichtig, die auf die Leere folgenden Gedanken (-sprünge) und Zusammenhänge auch notieren zu können, sonst ist die Inspirationin Form von konkret zusammnhängenden Gedanken auch oft wieder flöten gegangen. Ich jedenfalls erlebe beim "Langeweile aushalten" eine Öffnung des Geistes.
    Signatur
  • Happydaysdreamer
    Mit einem schönen Gedanken einzuschlafen verbessert sehr wahrscheinlich die Schlaf Qualität. Dann läuft es am nächsten Morgen mit Sicherheit wieder besser.
  • , 8
    Ich liege gern mal nur so da und denke über allerlei Dinge nach. Dann kommt mir oft eine Idee wie ich das eine oder andere in einem Bild interpretieren kann. Oder es ergibt sich aus Ereignissen die mich sehr beschäftigen.
  • Seite 1 von 1 [ 16 Beiträge ]

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